Dienstag, 23. August 2011

Vranska Banja - Kein Deutschkurs gemacht: Abschiebung nach 28 Jahren!

Wir fahren nach Vranska Banja, der berühmteste und meistbesuchte Kurort Serbiens. Bekannt für seine Schwefel- und auch Heilwasserquellen.
Wir besuchen aber unsere Roma-Freunde. In ihrem Stadtteil gibt es schon seit mehreren Tagen gar kein Wasser. Die Wasserleitungen funktionieren nicht. Das passiert oft und immer wieder.


Wir besuchen Snezana. Vor einigen Tagen in Subotica haben wir ihre Schwester getroffen und der versprochen, dass wir ihre Grüße ausrichten werden. Die beiden haben sich lange nicht gesehen. Wir haben einen Videogruß dabei und Fotos von dem kleinen Baby, der Großnichte. Die hat Snezana noch nie gesehen.

Sie führt uns in ihr Nachbarhaus. Dort treffen wir Asbiya, eine Verwandte von ihr, die gerade zu Besuch hier ist. Sie kommt aus Deutschland und verbringt hier mit ihren zwei Töchtern die Ferien. Die Drei sind unsere Übersetzerinnen an diesem Nachmittag. Wir sitzen an ihrem Tisch, trinken Kaffee und hören den Erzählungen zu. Snezana ist sehr krank und kann nur unter großen Schmerzen laufen.
Die beiden Töchter von Asbiya, Dragana und Daniela, 17 und 15 Jahre alt, erzählen uns, dass es schon ganz schön ist, dass hier die Sonne scheint und es im Sommer immer warm ist. Aber sie freuen sich schon sehr darauf, bald wieder nach Hause fahren zu können. Die ältere beginnt im Dezember eine Ausbildung als Zahnarzthelferin und die jüngere muss noch zwei Jahre zur Schule gehen, überlegt aber auch, Abitur zu machen.
in dieses Haus sollte die Mutter nach 28 Jahre Deutschland und krank leben
Snezana und Asbiya haben uns ihre Geschichten erzählt. Ihr könnt sie hier lesen. Unglaubliche Geschichten, die einmal mehr dokumentieren, mit welcher Unmenschlichkeit die deutschen Behörden vorgehen und es dabei mindestens billigend in Kauf nehmen, das Leben von Menschen zu zerstören.


Asbiya:

„Das ist kein Leben hier. Bitte versteht mich nicht falsch. Keiner möchte aus seiner Heimat weg. Es gibt kein Leben. Die Leute haben nichts hier, gar nichts.

Ich bin 1988 mit meinen Eltern nach Deutschland eingereist. Damals war ich acht Jahre alt. Wir haben uns in Essen angemeldet. Meine Tante war schon seit 40 Jahren in Deutschland. Wir sind von hier weggegangen, weil Krieg in Jugoslawien war. Ich war zusammen mit meinen beiden älteren Geschwistern, mit meinem Bruder, der war 14 und meiner Schwester, die war 12. Dann haben wir uns bei der Ausländerbehörde angemeldet und den grünen Ausweis bekommen, als Asylbewerber und dann direkt nach sechs Monaten Verlängerung bekommen. Soviel kann ich noch erinnern von damals. Ich war ja ein Kind.
Dann ist mein Vater gestorben und danach ging es auch meiner Mutter immer schlechter. Sie wurde krank, bekam Epilepsie. Heute kann sie auch nur noch sehr schlecht laufen.
Die Ausländerbehörde hat sie vor zwei Jahren aufgefordert, einen Deutschkurs zu machen, sonst werden sie ihren Aufenthalt nicht verlängern. Das konnte sie aber nicht. Sie kann kaum laufen, mein Bruder ist krank und hat einen behinderten Sohn. Die muss sie auch versorgen. Dehalb haben meine Mutter und mein Bruder es nicht geschafft, zu dem Deutschkurs zu gehen. Als die Ausländerbehörde das gesehen hat, haben sie ihnen gesagt, dass sie ihren Aufenthalt nicht verlängern werden und sie abschieben wollen. Nach 27 Jahren in Deutschland. Und meine Mutter ist krank und alt und versorgt ihren behinderten Enkel. Aber den und meinen Bruder und seine Familie wollen sie auch abschieben.
Meine beiden Töchter und ich haben 2007 einen befristeten Aufenthalt bekommen. Davor haben wir seit 1988 immer wieder Duldungen bekommen. 20 Jahre lang. Aber weil meine Töchter zur Schule gehen und ich Arbeit habe, haben wir einen Aufenthalt bekommen.
Aber meine Mutter und mein Bruder und seine Familie werden jetzt abgeschoben. Die Stadt Essen, dort lebt mein Bruder und meine Mutter, ist immer härter gegen Ausländer geworden. Sie suchen alles, um sie wieder abzuschieben. Sie sollen nach 20 Jahren zur Schule gehen. Das ist doch Wahnsinn.
Bei meinen Töchtern und mir läuft der Aufenthalt im Dezember aus. Aber wir sind sicher, dass wir dann eine Verlängerung bekommen. Ich arbeite in einem Hotel als Zimmermädchen und werde das hoffentlich bald Vollzeit tun können. Ich bekomme dort 6,30 Euro brutto die Stunde. In meinem Job davor bin ich total ausgenutzt worden. Wurde pro Zimmer gezahlt, 2,05 Euro pro Zimmer. Die sagten, man bräuchte nur zehn Minuten pro Zimmer. Dann hätten wir 12,30 Euro in der Stunde. Aber das war total gelogen. In Wirklichkeit schafft man zwei Zimmer. Das sind dann genau 4,10 Euro in der Stunde. Und der Job ist ein Knochenjob. Man muss ganz genau sein, alle Gläser müssen blinken, nirgendwo darf mehr ein Haar sein. Alles muss piccobello sauber sein.
Aber jetzt in meinem anderen Hotel ist es viel besser. Ich habe einen netten Chef. Ich habe mich aber selbst auf diesen Job beworben. Den hat mir niemand angeboten. Und jetzt wo ich einen Job habe, der ein bißchen besser ist, macht mir das Jobcenter Probleme, weil sie wollen dass ich Vollzeit arbeite. Außerdem hat der Chef mir sogar zugesichert, dass er mir gern noch zwei Stunden zusätzlich geben will. Aber das Jobcenter akzeptiert das nicht. Sie haben die Unterstützung für uns in diesem Monat um 300 Euro gekürzt, weil ich keine Bewerbung für einen Vollzeitjob geschrieben habe. Ich arbeite jeden Tag bis 4 oder 5 Uhr und dann habe ich noch meine Töchter und meine Schwiegereltern. Außerdem gefällt mir mein Job und ich möchte da langsam mehr arbeiten.

Und meine Mutter tut mir total leid. Wenn sie abgeschoben wird, ist sie tot. Nach einem Monat wird sie sterben. Bitte helft, dass sie nicht abgeschoben wird. Mein Bruder und seine Kinder haben garnichts hier. Meine Eltern haben ein Haus dahinten. Das ist ganz kaputt. Das könnt ihr fotografieren. Das kann die Ausländerbehörde ruhig sehen. Wohin soll meine Mutter gehen? Sie haben nichts. Sie haben kein Geld. Sie braucht Medikamente. Wie soll sie die kaufen? Sie muss Sachen für die Hygiene kaufen. Sie hat von A bis Z garnichts. Und ich weiß nicht, wie die Ausländerbehörde sich das vorstellt, sie nach 27 Jahren abschieben zu wollen. Die Frau muss deutsch lernen, sagen sie. Wie soll das gehen? Sie möchte gern. Sie kann nur „hallo“, „Klein“ und „Tschüß“ sagen.
Meine Mutter ist in Deutschand krank geworden, nicht hier. Sie war noch topfit, damals als sie gegangen ist. Damals war Krieg, 1988. Jetzt haben wir 2011 und sie wollen sie einfach abschieben. Das geht nicht. Ich würde wirklich dankbar sein, wenn meine Mutter in Deutschland bleiben kann mit ihrer ganzen Familie. Ich würde da auch persönlich hingehen und mich bedanken, wenn meine Mutter bleiben kann.
Ich bin auch meiner Stadt, Troisdorf dankbar, die mich sehr liebevoll aufgenommen haben. Ich habe keine Probleme mit dem Ausländeramt. Dort haben sie mir sogar gesagt, danke, dass sie sich bemüht haben. Da haben sie gesagt: ich bin stolz auf sie, sie haben bewiesen, dass sie arbeiten gehen, als alleinerziehende Mutter. Mein Mann ist gestorben, er wurde umgebracht. In Köln ist er erstochen worden von einem Mann aus Dänemark. Keine Ahnung warum. Ich habe soviele Unterlagen darüber. Der Mann aus Dänemark war psychisch krank, so krank, dass er nicht allein auf die Straße hätte gehen sollen. Er war immer vorbereitet darauf, dass man ihn angreift, hatte immer ein Messer dabei. Er hat gedacht, dass da ein Mädchen eine Beziehung mit meinem Mann hatte. Dabei wollte er ihr nur helfen. Was macht der Mann? Er nimmt sein Messer und sticht zu. Das ist jetzt schon 15 Jahre her. Und ich kriege gar nichts, keine Rente, nichts. Meine kleine Tochter war sechs Monate und die große 3 Jahre alt. Ich kann euch nachher das Foto von meinem Mann zeigen. Wir leiden immer noch darunter. Aber wir müssen uns eben immer wieder sagen, dass das Leben weitergeht. Und ich danke Deutschland, dass ich meinen Aufenthalt bekommen habe. Ich bin so froh, dass ich da leben kann. Wenn ich die Leute hier in Serbien sehe, bricht es mir das Herz. Seht das Haus dahinten, das konnten die Leute nur bauen, weil sie in Deutschland waren und dort Arbeit hatten. Sonst hätte die ganze Familie gar nichts, kein Dach über dem Kopf.
Eigentlich möchte keiner aus seinem Land weggehen. Aber hier ist das kein Leben. Hier geht garnichts. Besonders wenn man krank ist.“

wie sollte meine kranke Mutter hier leben? ohne wasser ohne medizinische versorgung?nach 28 Jahre deutschland?




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