Montag, 22. Oktober 2012

Neuer Bericht zur Lage der Roma in Serbien belegt Schutzbedürftigkeit

Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.
Bochum, den 22.10.2012

Pressemitteilung
 

Pauschale Asylmissbrauchsvorwürfe unterlassen!

Der Flüchtlingsrat NRW hat heute die deutsche Übersetzung des Berichts „Die Liberalisierung
des Visasystems und Einschränkungen des Rechts auf Asyl - zur Situation
serbischer Roma, die im Ausland Asyl beantragt haben“ veröffentlicht.

Der Bericht dokumentiert erneut die prekäre Lebenssituation von Roma in Serbien
und zeigt insbesondere den Zusammenhang zwischen der Visaliberalisierung für serbische
Staatsangehörige und der Einschränkungen ihrer Menschenrechte auf.

Nachdem im Jahr 2009 die Visafreiheit für serbische Staatsangehörige eingeführt
wurde, ist die Zahl der Asylanträge serbischer Schutzsuchender in den EU-Staaten
deutlich angestiegen. Mehr als 90 Prozent der Asylantragsteller gehören der Minderheit
der Roma an.

Der Bericht belegt, dass Roma in Serbien noch immer systematischer und institutioneller
Diskriminierung, rassistischer Gewalt und extremer Armut ausgesetzt sind. Er
zeigt auch, dass sich unter dem Druck der EU insbesondere die Situation für abgelehnte
Asylsuchende, die nach Serbien abgeschoben wurden bzw. eigenständig
„freiwillig“ nach Serbien zurückgekehrt sind, im Laufe des letzten Jahres drastisch
verschlechtert hat. Rückkehrern aus den EU-Staaten drohen in Serbien Strafverfolgung,
Passentzug und Ausreiseverbote. Zudem sind für diese Personen keine rechtli -
chen, sozialen oder medizinischen Hilfestellungen zur Wiedereingliederung in die
serbische Gesellschaft vorhanden. Durch verstärkte Grenzkontrollen, insbesondere
an der serbischen EU-Außengrenze, Sonderkontrollen von Roma durch „ethnic profiling“
und erniedrigende Polizei-Befragungen sollen zudem potentielle Asylgesuche
völkerrechtswidrig bereits an der serbischen Grenze verhindert werden.

Hinzu kommt, dass sowohl die EU als auch die einzelnen Regierungen der Mitgliedstaaten
sowie die Regierungen Serbiens und Mazedoniens durch öffentliche Äußerungen
über den angeblichen Missbrauch des Asylrechts die wachsende antiziganistische
Stimmung gegen Roma schüren. In Deutschland haben insbesondere Politiker
der Unionsparteien in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, einen Zusammenhang
zwischen dem Anstieg der Flüchtlingszahlen und der Anpassung der
Sozialleistungen für Asylsuchende durch das Bundesverfassungsgericht zu konstruieren
und Roma öffentlich als „Asylbetrüger“ diffamiert. Diese Argumentation ignoriert
die tatsächlichen Fluchtgründe und wird durch die Tatsache widerlegt, dass
auch in den anderen europäischen Staaten die Zahlen serbischer und mazedonischer
Asylantragsteller steigen.

Anstatt darauf zu drängen, die Rechte der Roma zu stärken, die sozio-ökonomische
Diskriminierung abzubauen und Roma vor antiziganistischen Übergriffen zu schüt zen,
droht die EU die Visumsfreiheit erneut einzuschränken, falls die Asylantragszahlen
nicht abnehmen.

Die aktuellen Forderungen nach einem verkürzten Asylverfahren für serbische Asylsuchende
in Deutschland und die Bagatellisierung der tatsächlichen Lebenssituation
von Roma sind vor diesem Hintergrund inakzeptabel. „Bei jeder Asylantragstellung,
also auch bei serbischen Staatsangehörigen, muss eine fundierte Einzelfallprüfung
stattfinden. Bei einem verkürzten Asylverfahren kann nicht adäquat auf den Fluchthintergrund
und eine tatsächliche Bedrohung im Herkunftsland eingegangen
werden“ betont Heinz Drucks vom Vorstand des Flüchtlingsrat NRW e.V. „Auf dieser
Grundlage kann keine faire Entscheidung über den Asylantrag getroffen werden“.


Für eventuelle Rückfragen stehen wir unter der angegebenen Telefonnummer gerne
zur Verfügung.
gez. Birgit Naujoks, Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.

Die Liberalisierung des Visasystems und Einschränkungen des Rechts auf Asyl
Herunterladen können Sie den Bericht „Die Liberalisierung des Visasystems und Einschränkungen
des Rechts auf Asyl - zur Situation serbischer Roma, die im Ausland Asyl
beantragt haben“ auf unserer Website unter
http://frnrw.de/news/publikationen

Der Bericht wurde im Juli 2012 durch das Regional Centre for Minorities (RCM) in serbischer
Sprache verfasst. Die deutsche Übersetzung wurde im Oktober 2012 von Karin
Waringo, Vorsitzende der Menschenrechtsvereinigung Chachipe a.s.b.l. aus Luxemburg,
überarbeitet und ergänzt.

Die Koordinierungs- und Öffentlichkeitsarbeit für das
Projekt leistete die Filmemacherin Katrin Schnieders aus Münster mit großzügiger Unterstützung
des Bündnisses MünsteranerInnen für ein Bleiberecht der Roma.

Finanziell wurden Recherche und Arbeit an diesem Bericht ermöglicht durch die Evangelische
Kirche von Westfalen und die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V., die
Evangelische Kirche im Rheinland, das Bistum Münster und PRO ASYL.
Ergänzend möchten wir auch noch auf den Bericht "Selective Freedom - The Visa Liberalisation
and Restrictions on the Right to Travel in the Balkans" hinweisen, den die
Menschenrechtsorganisation Chachipe im Juni 2012 veröffentlicht hat. Diesen Bericht
können Sie hier herunterladen:

http://www.ggua.de/fileadmin/downloads/Rueckkehrer_Reisefreiheit/Chachipe_Visa
_liberalisation_report_270612.pdf

Flüchtlingsrats NRW e. V.
www.frnrw.de

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