Mittwoch, 5. September 2012

2. Station: Weder Geld für Medikamente noch Entschädigung für Zwangsarbeit

2. Station: Weder Geld für Medikamente noch Entschädigung für Zwangsarbeit

Als wir abends in dem zwischen Nis und Sofia gelegenen Bergort Pirot ankommen, wartet die gesamte Familie samt Nachbarn auf der Straße. Nach der Begrüßung werden wir in das kleine Haus des Bruders von unserem abgeschobenen Freund Memetovic gebeten. In dem reparaturbedürftigen Häuschen wohnen die Großmutter und die beiden Brüder mit ihren Familien sehr beengt.

Dalibor, der in Hamburg so gerne zur Schule ging, hat inzwischen sein Deutsch fast vergessen, so sehr hat er die Hoffnung begraben, wieder nach Hamburg zu kommen. Trotzdem stürzt er sich gleich auf die mitgebrachten Zeitschriften aus Deutschland.

Der trotz Herzoperation und Bluthochdruck abgeschobene Memetovic versucht sich immer noch an die Verschreibungen aus Deutschland zu halten, weil ihm das Geld für medizinische Kontrolle und pharmazeutische Nachregulierung fehlt. Ohne die Medikamente, welche die FreundInnen aus Hamburg ihm von Zeit zu Zeit schicken, wäre er ganz ohne Versorgung. Eines seiner Medikamente ist auch bereits wieder aufgebraucht, er zeigt deutliche Symptome eines zu hohen Blutdrucks.

Auch für die gesunde und ausgebildete serbische Bevölkerung beträgt die Arbeitslosigkeit in der Region 35%. Für einen herzkranken Roma gibt es keine Chance, auch nur gelegentlich Arbeit zu finden. Das fehlende Geld ist auch der Grund, dass die abgeschobene Familie ihr Haus nicht instandsetzen und der kranke Familienvater Medikamente kaufen kann.



Memetovic bittet uns um einen Gefallen wegen seiner Mutter. Als wir mit der Großmutter – mit Hilfe einer Nachbarin, die lange in Deutschland lebte – sprechen, stellt sich heraus, dass ihr Mann Zwangsarbeiter in Deutschland war. Es gibt sogar die Kopie eines Verrechnungsschecks über mehr als 5.000 €, der aber nie eingelöst werden konnte, weil er an die Adresse eines bei Scheckausstellung in Deutschland lebenden Familienmitglieds adressiert war. Bevor der Brief den Verwandten erreichte, war dieser aber bereit wieder aus Deutschland abgeschoben. Bis jetzt hat es die Familie nicht geschafft hat, die für die Auszahlung notwendigen bürokratischen Hürden zu überwinden. Inzwischen ist der Großvater, der In Berlin für das Nazisystem schuften musste, verstorben. Die Familie hegt trotzdem Hoffnungen, doch noch an die Entschädigung zu kommen, denn mit dem Geld wäre es möglich, die beiden Häuser zu reparieren und für die strengen Winter bewohnbar zu machen.

Das Gespräch mit der Großmutter stellen wir in den nächsten Tagen auf den Blog.







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