Sonntag, 2. September 2012

2. Infomobil reise nach Serbien und Mazedonien 2012

Abgeschobene verschwinden nicht!

2. Infomobil reise nach Serbien und Mazedonien 2012

Ihr werdet Euch bestimmt wundern, warum den Blog nicht weiter über die auseinandergerissene Familie von Sajda und Sebo berichtet hat. Wir wollten uns nicht in die Versuche einmischen, für Sajda und ihre fünf Kinder mindestens noch „erträgliche“ Abschiebebedingungen auszuhandeln. Außerdem liefen noch interne Ermittlungen.

August 2011 sind wir mit zwei Gruppen und neun Personen unterwegs gewesen, um die Situation in Serbien und Mazedonien zu dokumentieren, die Verwandte unserer von Abschiebung bedrohten Romafreund_innen aus Hamburg zu besuchen [Alle Berichte von der 2011 Infomobilreise sind auf den blogs Roma in Hamburg und Bize Granice zu lesen]. Mit eigenen Augen zu sehen, wo sie hin müssen, wenn sie abgeschoben werden, weil trotz unserer gemeinsamen Kämpfe der SPD-Senat weiter an der unmenschlichen Säuberungspolitik festhält. Petitionen, Empfehlungen der Schulen, medizinische Atteste – nichts hat die Behörden von ihrem erklärten Ziel abhalten können, so viele Romas wie möglich abzuschieben.

Mit der raffinierten Möglichkeit der„freiwilligen“ Ausreise, die viele der Familien von der Ausländerbehörde massiv unter Druck gesetzt unterschrieben, haben die Behörden die Abschiebezahlen niedrig halten können. Für „Freiwillige“ gibt es keine zugänglichen Statistiken. Es gibt auch keine Zahlen, wie viele Hamburger Schulkinder auf diese Weise aus ihrem Klassen heraus abgeschoben wurden. Diese Methode ist der raffinierte Versuch der SPD, in der Abschiebestatistik menschlicher zu erscheinen als Schwarz-Schill.

Besonders brutal wird das Vorgehen dann, wenn die „freiwillige“ Ausreise durch Familientrennung erzwungen wird. Dazu ein paar Beispiele und das sind nur die Geschehnisse, die wir mitbekommen:

A) Ein schwerkranker Familienvater liegt frisch operiert im Krankenhaus und plötzlich werden seine Frau und seine Kinder abgeschoben. Er „darf“ dann „freiwillig“ ausreisen.
B) Eine chronisch kranke ältere Frau, die mit ihrem Mann und ihrer hochschwangeren Tochter lebt, wird frühmorgens mit ihrem Mann abgeschoben. Die Hochschwangere muss zusehen und „darf“ nach der Geburt „freiwillig“ ausreisen.
C) Ein paar Tage nach der Entlassung aus der Psychiatrie und trotz beantragter Wiederaufnahme seines Asylverfahrens wird Sebo abgeschoben. Weil die vier Mädchen der Familie sich im Ferienlager befinden, versucht die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde mit Methoden, die von der Dienststelle Interne Ermittungen und schon vor Ende der Ermittlungen vom Innensenator als unbedenklich eingestuft werden, durch Drohungen bezüglich ihres Kleinkinds den Aufenthaltsort der Mädchen zu erpressen. Die trotz laufender interner Ermittlungen weiterhin zuständige Behördenmitarbeiterin, welche die Drohungen aussprach, schlug dann mehrfach die Bitten der fünffachen Mutter nach „freiwilliger“ Ausreise aus.

Die Roma-Unterstützer_innengruppe ist entstanden im September 2010, als wir bei den Besuchen im Lager Horst neu angekommene Romafamilien trafen, die perfekt deutsch sprachen. Sie erklärten uns, dass sie in Hamburg geboren und zur Schule gegangen sind, um dann in den ersten Jahren des Jahrtausends mit ihren Familien gezwungen zu werden, Hamburg, ihre Schule, ihre Freunde oder ihre Arbeit zu verlassen. Ihre Eltern waren oft als GastarbeiterInnen in den 1960iger Jahren aus Jugoslawien nach Hamburg gekommen. Jetzt kommen sie selber als Eltern mit ihren Kindern, um diesen auch eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen, weil sie in Serbien und Mazedonien als Roma verfolgt sind. Wir haben zusammen beschlossen, gemeinsam für ihr Bleiberecht zu kämpfen. Einer der ersten Schritte war, ihre Geschichten öffentlich zu machen. Daraus entstand eine Ausstellung, in der sich zehn Romafamilien unter der Überschrift „Wir sollen freiwilligausreisen“ vorstellten. Mit dieser beweglichen Ausstellung konnten die Romas selber der Öffentlichkeit ihre Geschichten und den Druck, unter dem sie stehen, sichtbar machen. Dass nur zwei von den zehn Familien noch in Hamburg sind, aber auch sie ständig in der Angst vor Abschiebung leben müssen, sagt alles über die Hamburger Aussonderungspolitik. Romas werden noch immer verfolgt, hier geborene Kinder werden noch immer als unerwünscht erklärt.

Wir fahren jetzt nach Serbien und Mazedonien, um die abgeschobenen Freund_innen zu besuchen. Wir, die Pässe haben und die Grenzen ohne Angst überqueren können, ohne Schmiergelder zahlen zu müssen, um einen Stempel zu bekommen und ohne die Angst: sie werden uns nicht durchlassen. Die nächsten Tage werden wir im blog über die aktuelle Situation unsere Romafreund_innen berichten.

Abgeschobene verschwinden nicht – auch wenn die Behörden das gerne hätten.

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