Montag, 16. Mai 2011

Andacht mit Roma Familien in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme


Am 15. Mai 2011 haben sich viele Roma Familien, Mitglieder von Flüchtlingsorganisationen und Angehöriger der Kirche in der KZ-Gendenkstätte Neuengamme versammelt.







Die kirchliche Beauftragte der Norelbische Kirche haben alle aufgerufen, sich  über die dohenden Abschiebungen von mehreren Roma-Familien zu informieren und miteinander gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Das Treffen fand in der Nähe des historischen Ortes Neuengamme statt. Andacht heißt: Spiritualität und Information an diesem Ort des Gedenkens – keine unhistorischen Parallelisierungen, sondern Verantwortung und Antworten suchen.

Zur Zeit sind mehrere Petitionen für die Familien im Eingabeausschuss der Hamburger Bürgerschaft anhängig. Es bestand die Gelegenheit, die Familien selbst zu sprechen.

Vor den Gedenkgraben von allen Völker




Roma Kinder, die hier in Hamburg vor Abschiebung bedroht sind, haben Blumen auf dem Gedenkgrab des Roma Volkes niedergelegt.
Die Roma Familien, die Petitionen in dem Eingabeausschuss eingereicht haben, hören die Begrüssungsrede von dem Pastor Veit Buttler zu


Hier die Worte von dem Pastor Veit Buttler, die eine kirchliche Gendenkstättearbeit in Neuengamme führt, um die Teilnehmende des Andachts und insbesondere die Roma Familien zu begrüssen:


Ich begrüße Sie ganz herzlich hier auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers und der heutigen KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

An diesem Ort mussten tausende Häftlinge unter unmenschlichen Voraussetzungen Ziegelsteine für die Stadt Hamburg und Rüstungsgüter für die Deutsche Wehrmacht produzierten.

Das Haupt- und Stammlager Neuengamme war mit seinen 87 Außenlagern das größte KZ in Norddeutschland.

Es gehörte zu den so genannten Arbeitslagern in denen die Häftlinge unter katastrophalen Bedingungen schwerste Zwangs- und Sklaven-arbeit leisten mussten. Das SS- eigene Motto  der „Vernichtung durch Arbeit“ zielte dabei auf die physische Vernichtung von Menschen und ermöglichte zudem hohe Profite.
Dieses unbegreiflich menschenverachtende Prinzip wurde allein in Neuengamme und an den Orten der Außenlager für mehr als 100.000 Menschen zur Hölle auf Erden.

Nahezu jeder 2. Häftling ist in Neuengamme oder in den Außenlagern ums Leben gekommen. Sie sind verhungert, an Krankheiten und Entkräftung gestorben oder exekutiert und ermordet worden.

Das ehemalige Konzentrationslager Neuengamme steht neben vielen anderen Konzentrationslagern in Deutschland und Osteuropa für die schrecklichsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.

Was im 20. Jahrhundert mit der systematischen Entrechtung und Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen durch die Nationalsozialisten begann, endete in der industriell organisierten Ermordung und Vernichtung von Millionen von Menschen.

Vor allem Juden. Aber auch Sinti und Roma, Kranke und Behinderte, Homosexuelle, sozial Ausgegrenzte und politisch Geächtete, Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, Kriegsgefangene und Widerstands-kämpfer, Menschen aus vielen Völkern und Nationen. Männer, Frauen Kinder und Greise. Sie alle waren Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Dafür ist der Name Auschwitz zum neuzeitlichen Inbegriff des unüberbietbaren Bösen geworden, zum Unwort, das den Zivilisationsbruch (Hannah Ahrendt) im vergangenen Jahrhundert bezeichnet.

Daran erinnern wir hier.

Für heutige Generationen geht es darum, die ethische und politische Verantwortung dafür wahrzunehmen, dass sich vergleichbare Gewaltverhältnisse nicht einmal im Ansatz wiederholen.

Das klingt vielleicht politisch korrekt und mittlerweile fast banal – bleibt aber hoch aktuell.Nicht einmal im Ansatz – bedeutet tatsächlich die grundsätzliche also ausnahmslose Anerkennung und Achtung der Menschenwürde und der aus ihr resultierenden Menschenrechte.

Dass auch dies wieder und wieder angemahnt und eingefordert werden muss, zeigen uns zahllose Beispiele von Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt – auch innerhalb Europas.

Damals haben die Kirchen – entgegen ihrem eigentlichen Auftrag - geschwiegen. Heute wollen wir das nicht mehr tun.

Die Vergangenheit, die sich im Wesentlichen durch Menschen-verachtung und Menschenvernichtung auszeichnet, verweist uns heute und für alle Zeit auf unsere Verantwortung für die Menschenrechte, d. h. für Menschen in Not- und Verfolgungssituationen.

Daran muss gerade an diesem Ort immer wieder erinnert werden.
Dieser Ort ist uns Mahnung und Verpflichtung zugleich.
Viele von Ihnen sind heute hier an diesem Ort, der auch für Angehörige der Roma zum Ort rassistischer und menschenverachtender Verfolgung wurde. Sie sind hier, um ein Zeichen zu setzen, als Hilferuf aus Angst vor Abschiebung, vor anschließender Diskriminierung und Verfolgung.

Unter solchen Ängsten haben Menschen zu allen Zeiten leiden müssen, weil die Welt ist, wie sie ist.

Diese Angst drückt sich auch in den alten und geprägten Worten des 69. Psalm aus.
Der Psalm ist das Klagelied eines Verfolgten, vielleicht die Klage eines Flüchtlings.
Weit mehr als 2000 Jahre alt sind diese Worte und haben doch nichts an Aktualität verloren. So oder ähnlich werden auch heute noch Menschen beten, bitten, flehen und hoffen – als Hilferuf an Gott, der Menschen bewegen will, solidarisch zu handeln.
















Die Roma-Familien haben in Anschluss zu mehreren Beiträgen, ein Lied in ihre Sprache, Romanes, interpretiert. Hier sind die Stimmen zu hören…















Danach wurde eine Einführung in dem Haus des Gendenkens und Mahmal durchgeführt. Es wurde die Möglichkeit für alle Beteiligte, über die historische Fakten des KZ-Neuengamme zu erfahren. Die Roma Familien konnten die tausende Namen von denen, die unter den tödlichen Arbeitsbedingungen in diesem Ort ums Leben gekommen sind.





Unterstützen Sie die Roma Familien, die hier in Hamburg von Abschiebung bedroht sind! Schreiben Sie an dem Petitionsausschuss der Bürgerschaft und fordern Sie ein Bleiberecht für Roma aus den Staaten der ehemaligen Jugoslawien!



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