Donnerstag, 31. Januar 2013

Das Auschwitz-Komitee fordert dass den Worten der Reden zu den Gedenktagen endlich Taten folgen



Das Auschwitz-Komitee fordert in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin
Merkel, dass den Worten der Reden zu den Gedenktagen endlich Taten folgen
müssen:

Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
28. Januar 2013

Verfolgung der Sinti und Roma in der EU

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

wir haben Ihnen zugehört bei der Einweihung des Denkmals für die im
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin am 24.
Oktober 2012. Sie erinnerten an diese Opfergruppe, "die öffentlich viel zu
lange viel zu wenig wahrgenommen wurde: an die vielen hunderttausend Sinti
und Roma, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des
nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte." Sie haben in Ihrer Rede
betont, wie wichtig genaues Hinschauen, rechtzeitiges Ein­mischen und
Übernahme von Verantwortung ist. Minderheiten, ihre Kulturen, ihre
Sprachen sind eine Bereicherung der Vielfalt Deutschlands, sagten Sie. Und
weiter: "Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung und
müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Es ist eine deutsche und eine
europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und
innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben."

Bereits einen Tag später aber spricht sich Ihr Bundesinnenminister, Dr.
Hans-Peter Friedrich (CSU) vor einem Treffen der EU-Innen- und
Justizminister erneut für eine Verschärfung des Asylrechts aus,
insbesondere für Asylbewerber aus Ländern wie Serbien und Mazedonien. Sie
werden erkennen, dass diese Vorstellungen des Innenministers nicht zu
Ihren Einschätzungen und Ihren zitierten Versprechen passen – und der
politischen Klärung bedürfen.

Gerade wieder sind viele feierliche Reden zum Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus, dem Shoa-Gedenktag gehalten worden. Sie, Frau
Bundes­kanzlerin sagen in Ihrer Botschaft zum 27. Januar 2013, die
Deutschen trügen eine immerwährende Verantwortung für die Verbrechen der
Nazis und den Holocaust. Mit Mut und Zivilcourage könne jeder Einzelne
dazu beitragen, dass Rassismus und Antisemitismus keine Chance mehr
bekämen.

Für uns, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, ist es bitter und
kaum zu ertragen, wenn Nazis in unseren Städten marschieren dürfen, wenn
Roma und Sinti bei uns keine Zuflucht gewährt wird, wenn selbst Kinder
abgeschoben werden, wenn gegen Nazidemonstrationen Protestierende und
Blockierende mit Gefäng­nisstrafen belegt werden.

"Gerade wir als Überlebende von Auschwitz haben die Pflicht daran zu
erinnern, dass Sinti und Roma unsere Leidensgenossen in Auschwitz und in
Birkenau waren. Die Nazis hatten ihnen dasselbe Schicksal zugedacht, wie
den Juden." Das sagte Noah Flug, der inzwischen leider verstorbene
Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees 2010. Seitdem hat sich
wenig geändert.

Um die bedrohliche Situation der Roma und Sinti in Europa zu verbessern
und dem Antiziganismus entschieden entgegen zu treten, fordern wir, wie
vom Internationa­len Auschwitz-Komitee und seinen Mitgliedsorganisationen
bereits am 7. September 2010 beschlossen:

* uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für Roma und Sinti innerhalb
der Europäischen Union

* uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang für Roma und
Sinti zu den Sozial- und Bildungssystemen aller EU-Mitgliedsstaaten

* die Entwicklung und Durchführung von Bildungs- und
Informationsprogrammen gegen Antiziganismus durch die Europäische Union
und ihre Mitgliedsstaaten

* die Anerkennung und Achtung der Geschichte und Kultur der Roma
und Sinti als wichtigen und wertvollen Teil Europas

Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Das Gedenken
an die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti darf nicht zu
Lippen­bekenntnissen verkommen. Bitte intervenieren Sie gegen die
fortgesetzte Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma in Europa durch
menschenwürdiges und verantwortliches Handeln mit einem sofortigen
Bleiberecht in Deutschland!

Mit freundlichen Grüßen

Esther Bejarano, Vorsitzende

Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Kontakt: AuschwitzKomitee@t-online.de



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