2.
Station: Weder Geld für Medikamente noch Entschädigung für
Zwangsarbeit
Als wir abends in dem zwischen Nis und
Sofia gelegenen Bergort Pirot ankommen, wartet die gesamte Familie
samt Nachbarn auf der Straße. Nach der Begrüßung werden wir in das
kleine Haus des Bruders von unserem abgeschobenen Freund Memetovic
gebeten. In dem reparaturbedürftigen Häuschen wohnen die Großmutter
und die beiden Brüder mit ihren Familien sehr beengt.
Dalibor, der in Hamburg so gerne zur
Schule ging, hat inzwischen sein Deutsch fast vergessen, so sehr hat
er die Hoffnung begraben, wieder nach Hamburg zu kommen. Trotzdem
stürzt er sich gleich auf die mitgebrachten Zeitschriften aus
Deutschland.
Der trotz Herzoperation und
Bluthochdruck abgeschobene Memetovic versucht sich immer noch an die
Verschreibungen aus Deutschland zu halten, weil ihm das Geld für
medizinische Kontrolle und pharmazeutische Nachregulierung fehlt.
Ohne die Medikamente, welche die FreundInnen aus Hamburg ihm von Zeit
zu Zeit schicken, wäre er ganz ohne Versorgung. Eines seiner
Medikamente ist auch bereits wieder aufgebraucht, er zeigt deutliche
Symptome eines zu hohen Blutdrucks.
Auch für die gesunde und ausgebildete
serbische Bevölkerung beträgt die Arbeitslosigkeit in der Region
35%. Für einen herzkranken Roma gibt es keine Chance, auch nur
gelegentlich Arbeit zu finden. Das fehlende Geld ist auch der Grund,
dass die abgeschobene Familie ihr Haus nicht instandsetzen und der
kranke Familienvater Medikamente kaufen kann.
Memetovic bittet uns um einen Gefallen
wegen seiner Mutter. Als wir mit der Großmutter – mit Hilfe einer
Nachbarin, die lange in Deutschland lebte – sprechen, stellt sich
heraus, dass ihr Mann Zwangsarbeiter in Deutschland war. Es gibt
sogar die Kopie eines Verrechnungsschecks über mehr als 5.000 €,
der aber nie eingelöst werden konnte, weil er an die Adresse eines
bei Scheckausstellung in Deutschland lebenden Familienmitglieds
adressiert war. Bevor der Brief den Verwandten erreichte, war dieser
aber bereit wieder aus Deutschland abgeschoben. Bis jetzt hat es die
Familie nicht geschafft hat, die für die Auszahlung notwendigen
bürokratischen Hürden zu überwinden. Inzwischen ist der Großvater,
der In Berlin für das Nazisystem schuften musste, verstorben. Die
Familie hegt trotzdem Hoffnungen, doch noch an die Entschädigung zu
kommen, denn mit dem Geld wäre es möglich, die beiden Häuser zu
reparieren und für die strengen Winter bewohnbar zu machen.
Das Gespräch mit der Großmutter
stellen wir in den nächsten Tagen auf den Blog.
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