Abgeschobene verschwinden nicht!
2. Infomobil reise nach Serbien und
Mazedonien 2012
Ihr werdet Euch bestimmt wundern, warum
den Blog nicht weiter über die auseinandergerissene Familie von
Sajda und Sebo berichtet hat. Wir wollten uns nicht in die Versuche
einmischen, für Sajda und ihre fünf Kinder mindestens noch
„erträgliche“ Abschiebebedingungen auszuhandeln. Außerdem
liefen noch interne Ermittlungen.
August 2011 sind wir mit zwei Gruppen
und neun Personen unterwegs gewesen, um die Situation in Serbien und
Mazedonien zu dokumentieren, die Verwandte unserer von Abschiebung
bedrohten Romafreund_innen aus Hamburg zu besuchen [Alle Berichte von der 2011 Infomobilreise sind auf den blogs Roma in Hamburg und Bize Granice zu lesen]. Mit eigenen Augen
zu sehen, wo sie hin müssen, wenn sie abgeschoben werden, weil trotz
unserer gemeinsamen Kämpfe der SPD-Senat weiter an der
unmenschlichen Säuberungspolitik festhält. Petitionen, Empfehlungen
der Schulen, medizinische Atteste – nichts hat die Behörden von
ihrem erklärten Ziel abhalten können, so viele Romas wie möglich
abzuschieben.
Mit der raffinierten Möglichkeit der„freiwilligen“ Ausreise, die viele der Familien von der
Ausländerbehörde massiv unter Druck gesetzt unterschrieben, haben
die Behörden die Abschiebezahlen niedrig halten können. Für
„Freiwillige“ gibt es keine zugänglichen Statistiken. Es gibt
auch keine Zahlen, wie viele Hamburger Schulkinder auf diese Weise
aus ihrem Klassen heraus abgeschoben wurden. Diese Methode ist der
raffinierte Versuch der SPD, in der Abschiebestatistik menschlicher
zu erscheinen als Schwarz-Schill.
Besonders brutal wird das Vorgehen
dann, wenn die „freiwillige“ Ausreise durch Familientrennung
erzwungen wird. Dazu ein paar Beispiele und das sind nur die
Geschehnisse, die wir mitbekommen:
A) Ein schwerkranker Familienvater
liegt frisch operiert im Krankenhaus und plötzlich werden seine Frau
und seine Kinder abgeschoben. Er „darf“ dann „freiwillig“
ausreisen.
B) Eine chronisch kranke ältere Frau,
die mit ihrem Mann und ihrer hochschwangeren Tochter lebt, wird
frühmorgens mit ihrem Mann abgeschoben. Die Hochschwangere muss
zusehen und „darf“ nach der Geburt „freiwillig“ ausreisen.
C) Ein paar Tage nach der Entlassung
aus der Psychiatrie und trotz beantragter Wiederaufnahme seines
Asylverfahrens wird Sebo abgeschoben. Weil die vier Mädchen der
Familie sich im Ferienlager befinden, versucht die Mitarbeiterin der
Ausländerbehörde mit Methoden, die von der Dienststelle Interne
Ermittungen und schon vor Ende der Ermittlungen vom Innensenator als
unbedenklich eingestuft werden, durch Drohungen bezüglich ihres
Kleinkinds den Aufenthaltsort der Mädchen zu erpressen. Die trotz
laufender interner Ermittlungen weiterhin zuständige
Behördenmitarbeiterin, welche die Drohungen aussprach, schlug dann
mehrfach die Bitten der fünffachen Mutter nach „freiwilliger“
Ausreise aus.
Die Roma-Unterstützer_innengruppe ist
entstanden im September 2010, als wir bei den Besuchen im Lager Horst
neu angekommene Romafamilien trafen, die perfekt deutsch sprachen.
Sie erklärten uns, dass sie in Hamburg geboren und zur Schule
gegangen sind, um dann in den ersten Jahren des Jahrtausends mit
ihren Familien gezwungen zu werden, Hamburg, ihre Schule, ihre
Freunde oder ihre Arbeit zu verlassen. Ihre Eltern waren oft als
GastarbeiterInnen in den 1960iger Jahren aus Jugoslawien nach Hamburg
gekommen. Jetzt kommen sie selber als Eltern mit ihren Kindern, um
diesen auch eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen, weil
sie in Serbien und Mazedonien als Roma verfolgt sind. Wir haben
zusammen beschlossen, gemeinsam für ihr Bleiberecht zu kämpfen.
Einer der ersten Schritte war, ihre Geschichten öffentlich zu
machen. Daraus entstand eine Ausstellung, in der sich zehn
Romafamilien unter der Überschrift „Wir sollen freiwilligausreisen“ vorstellten. Mit dieser beweglichen Ausstellung konnten
die Romas selber der Öffentlichkeit ihre Geschichten und den Druck,
unter dem sie stehen, sichtbar machen. Dass nur zwei von den zehn
Familien noch in Hamburg sind, aber auch sie ständig in der Angst
vor Abschiebung leben müssen, sagt alles über die Hamburger
Aussonderungspolitik. Romas werden noch immer verfolgt, hier geborene
Kinder werden noch immer als unerwünscht erklärt.
Wir fahren jetzt nach Serbien und
Mazedonien, um die abgeschobenen Freund_innen zu besuchen. Wir, die
Pässe haben und die Grenzen ohne Angst überqueren können, ohne
Schmiergelder zahlen zu müssen, um einen Stempel zu bekommen und
ohne die Angst: sie werden uns nicht durchlassen. Die nächsten Tage
werden wir im blog über die aktuelle Situation unsere Romafreund_innen
berichten.
Abgeschobene verschwinden nicht –
auch wenn die Behörden das gerne hätten.
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