Montag, 21. September 2015

Romano Jekipe Ano Hamburg erhält Schutzraum vor Abschiebung und fordert weiterhin ein Bleiberecht

Die Gruppe "Romano Jekipe Ano Hamburg - Vereinigte Roma Hamburg" hat nach der Besetzung des Michels am vergangenen Donnerstag von der Kirchengemeinde St. Michaelis einen Schutzraum vor der drohenden Abschiebung erhalten und hält sich bis auf weiteres in den zur Verfügung gestellten Räumen im Gemeindehaus auf. Sie fordert einen sofortigen Abschiebestopp in den Balkan sowie ein Bleiberecht für ihre Familien. 

"Wir sind der Kirche dankbar, dass sie uns einen Schutzraum vor der drohenden Abschiebung in eine Situation von Verfolgung, Diskriminierung und Elend bietet und sich bei der Politik für uns einsetzt. Sie hat erkannt, dass die Lage in den Herkunftsländern für uns lebensbedrohlich ist und unterstützt uns in unseren Forderungen. Wir fordern die politischen Verantwortlichen in der Ausländerbehörde, der Hamburger Bürgerschaft und der Justiz auf, unsere Fluchtgründe nicht länger zu ignorieren und die bevorstehenden Sammelabschiebungen zu stoppen." erklärt Isen Asanovski von "Romano Jekipe Ano Hamburg".

Romano Schmidt vom bundesweiten Romanetzwerk "alle bleiben!" erläutert: "Die sogenannten "sicheren Herkunftsländer" sind nicht sicher für uns Roma. Es herrscht ein gefährlicher Mix aus Rassismus aus den Bevölkerungsmehrheiten und den staatlichen Institutionen. Der Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildung und zur Gesundheitsversorgung ist weitestgehend versperrt. Es trifft also genau das zu, was im Asylverfahrensgesetz unter §3a und §3b als strukturelle Diskriminierung beschrieben ist."

Isen Asanovski ergänzt: "Vor allem im Winter ist es für Menschen lebensbedrohlich, die entweder auf der Straße oder in sogenannten "informellen Siedlungen" in selbstgebauten Hütten leben müssen und denen gleichzeitig die medizinische Versorgung verwehrt wird."

"Auch wegen der Geschichte von Verfolgung und Ermordung von Roma durch Nazideutschland, darf die BRD nicht so tun, als seien wir ein Problem, das sie loswerden muss." fordert Isen Asanovski und fügt an: "Es darf keine Spaltung in "gute" und "schlechte" Flüchtlinge nach Herkunftsstaat geben! Unsere Fluchtgründe müssen wirklich geprüft und nicht pauschal geleugnet werden!"

 Unterstützt wird die Gruppe unter anderem vom bundesweiten Netzwerk "alle bleiben!", dem Flüchtlingsrat Hamburg, dem Hamburger Bündnis "Recht auf Stadt - never mind the papers!" sowie verschiedenen Einzelpersonen wie Esther Bejarano (Vorsitzende des Auschwitz-Komitee in der BRD e.V.), Cornelia Kerth (Bundesvorsitzende der VVN-BdA) und Norman Paech (Völkerrechtler).

Sonntag, 20. September 2015

Tag 4 im Michel

Ergebnisse der Verhandlungen am Samstag:
- Bis auf weiteres gewährt uns die Kirche Schutzraum gegen Abschiebungen!
- Die Kirche wird sich diese Woche um Verhandlungen mit der Ausländerbehörde bemühen
- Ein Sprecher von Romano Jekipe hielt eine Rede im heutigen Gottesdienst um der Gemeinde die Situation zu schildern und die Forderungen zu erklären.

Kommt vorbei und zeigt den Familien, dass sie nicht alleine sind!

Freitag, 18. September 2015

Aktualisierte Informationen zur Besetzung des Michels



Die Gruppe „Romano Jekipe Ano Hamburg – Vereinigte Roma Hamburg“ hat gestern um 17 Uhr die Sankt Michaelis Kirche besetzt. Sie fordert einen sofortigen Abschiebestopp in den Balkan sowie ein Bleiberecht für ihre Familien. Bereits im Juli hat die Gruppe mit einem einwöchigen Protest vor der Ausländerbehörde und einer Demonstration auf ihre Situation aufmerksam gemacht.

Romano Schmidt informiert: „Nach ersten Verhandlungen mit der Kirche wurde uns eine vorläufige Unterstützung bis Sonntag zugesagt. Zudem hat die Kirche angeboten Kontakt mit der Ausländerbehörde aufzunehmen. Wir werden den Michel so lange besetzen, bis wir unser Ziel erreicht haben!

Über 20 Familien haben von der Ausländerbehörde einen Bescheid für ihre Abschiebung nach Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und in den Kosovo innerhalb der nächsten Woche bekommen. Als letztes Mittel, um nicht in eine Situation von Verfolgung, Diskriminierung und Elend abgeschoben zu werden, haben wir seit gestern, dem 17.09.2015 um 17 Uhr, die Sankt Michaelis Kirche besetzt. Unsere Forderung ist der sofortige Abschiebestopp für die Familien in den Balkan und ein Bleiberecht.“ erklärt Romana Schneider von „Romano Jekipe Ano Hamburg“.

Romano Schmidt vom bundesweiten Romanetzwerk „alle bleiben!“ erläutert:
Die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ sind nicht sicher für uns Roma. Es herrscht ein gefährlicher Mix aus Rassismus aus den Bevölkerungsmehrheiten und den staatlichen Institutionen. Der Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildung und zur Gesundheitsversorgung ist weitestgehend versperrt. Es trifft also genau das zu, was im Asylverfahrensgesetz unter §3a und §3b als strukturelle Diskriminierung beschrieben ist. Zusammengenommen ist die Ausgrenzung lebensbedrohlich, vor allem für Kinder und alte Menschen. Diese bekannten Fakten ignorieren politische Verantwortliche in der Ausländerbehörde, der Hamburger Bürgerschaft und der Justiz.“

Auch wegen der Geschichte von Verfolgung und Ermordung von Roma durch Nazideutschland, darf die BRD nicht so tun, als seien wir ein Problem, das sie loswerden muss“, fordert Romana Schneider und fügt an: „Es darf keine Spaltung in »gute« und »schlechte« Flüchtlinge nach Herkunftsstaat geben! Unsere Fluchtgründe müssen wirklich geprüft und nicht pauschal geleugnet werden!"

Unterstützt wird die Gruppe unter anderem vom bundesweiten Netzwerk „alle bleiben!“, dem Flüchtlingsrat Hamburg, dem Hamburger Bündnis „Recht auf Stadt – never mind the papers!“ sowie verschiedenen Einzelpersonen wie Esther Bejarano (Vorsitzende des Auschwitz-Komitee in der BRD e.V), Cornelia Kerth (Bundesvorsitzende der VVN-BdA) und Norman Paech (Völkerrechtler).


Donnerstag, 17. September 2015

Besetzung der St. Michaelis Kirche


Romano Jekipe Ano Hamburg besetzt den Michel und fordert ein Bleiberecht

Die Gruppe „Romano Jekipe Ano Hamburg – Vereinigte Roma Hamburg“ hat heute um 16:30 Uhr die Sankt Michaelis Kirche in Hamburg besetzt. Sie fordert einen sofortigen Abschiebestopp in den Balkan sowie ein Bleiberecht für ihre Familien. Bereits im Juli hat die Gruppe mit einem einwöchigen Protest vor der Ausländerbehörde und einer Demonstration auf ihre Situation aufmerksam gemacht.

Über 20 Familien haben von der Ausländerbehörde einen Bescheid für ihre Abschiebung nach Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und in den Kosovo innerhalb der nächsten Woche bekommen. Als letztes Mittel, um nicht in eine Situation von Verfolgung, Diskriminierung und Elend abgeschoben zu werden, haben wir seit heute, dem 17.09.2015 um 17 Uhr, die Sankt Michaelis Kirche besetzt. Unsere Forderung ist der sofortige Abschiebestopp für die Familien in den Balkan und ein Bleiberecht. Wir werden den Michel so lange besetzen, bis wir unser Ziel erreicht haben!“ erklärt Romana Schneider von „Romano Jekipe Ano Hamburg“.

Romano Schmidt vom bundesweiten Romanetzwerk „alle bleiben!“ erläutert:
Die sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ sind nicht sicher für uns Roma. Es herrscht ein gefährlicher Mix aus Rassismus aus den Bevölkerungsmehrheiten und den staatlichen Institutionen. Der Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildung und zur Gesundheitsversorgung ist weitestgehend versperrt. Es trifft also genau das zu, was im Asylverfahrensgesetz unter §3a und §3b als strukturelle Diskriminierung beschrieben ist. Zusammengenommen ist die Ausgrenzung lebensbedrohlich, vor allem für Kinder und alte Menschen. Diese bekannten Fakten ignorieren politische Verantwortliche in der Ausländerbehörde, der Hamburger Bürgerschaft und der Justiz.“

Auch wegen der Geschichte von Verfolgung und Ermordung von Roma durch Nazideutschland, darf die BRD nicht so tun, als seien wir ein Problem, das es loswerden muss“, fordert Romana Schneider und fügt an: „Es darf keine Spaltung in »gute« und »schlechte« Flüchtlinge nach Herkunftsstaat geben! Unsere Fluchtgründe müssen wirklich geprüft und nicht pauschal geleugnet werden!"

Unterstützt wird die Gruppe unter anderem vom bundesweiten Netzwerk „alle bleiben!“, dem Flüchtlingsrat Hamburg, dem Hamburger Bündnis „Recht auf Stadt – never mind the papers!“ sowie verschiedenen Einzelpersonen wie Esther Bejarano (Vorsitzende des Auschwitz-Komitee in der BRD e.V), Cornelia Kerth (Bundesvorsitzende der VVN-BdA) und Norman Paech (Völkerrechtler). 

 


Mittwoch, 5. August 2015

Protest am Flughafen

Heute versammelten wir uns mit 50 Leuten zum Protest am Flughafen Hamburg.

Vielen Roma droht im Moment die Abschiebung in eines der sogenannten sicheren Herkunftsländer auf dem Balkan. Mit Sammelabschiebungen, wie zum Beispiel vom Flughafen Karlsruhe Baden-Baden, bei denen die Leute aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem Ort gebracht und von dort abgeschoben werden, hat der deutsche Staat ein effektives Mittel gefunden und versucht uns loszuwerden. Auch vom Flughafen Hamburg finden Abschiebungen statt.


In Redebeiträgen wurde die Bedrohung für Roma auf dem Balkan dargestellt.
Wir leiden unter Vorurteilen, systematischer Diskriminierung, Marginalisierung und Ausgrenzung. Viele unterliegen einem permanenten Vertreibungsdruck. Polizeiliche Räumungen von Roma-Siedlungen sind alltäglich. Die Mehrheit der Roma hat keine festen Unterkünfte, keine richtigen Wohnungen. Sie organisieren ihr Überleben in irregulären Siedlungen, Slums, oft ohne Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss. Die Lebenserwartung ist gegenüber dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechend niedrig, die Kindersterblichkeit um ein vielfaches höher.


Währenddessen wird in Deutschland in Bayern beschlossen zwei neue Abschiebelager nur für Balkanflüchtlinge einzurichten. Ein Großteil von ihnen sind Roma. In Bayern sollen diese Lager in völliger Isolation in Grenznähe gebaut werden. Die Asylanhörung soll dort innerhalb von drei Tagen stattfinden. Mit einer Außenstelle der Verwaltungsgerichte direkt vor Ort soll die Ablehnung von Klagen gegen Ablehnungsbescheide nach den Asylverfahren noch effizienter von statten gehen.
Diese Lager und die Schnellverfahren sind die Fortsetzung der Diskriminierung von Roma mit bewusster Ignoranz und der eiskalten Gründlichkeit der deutschen Bürokratie.


Gerade nach der Gedenkveranstalung für die im Nationalsozialismus ermordeten Roma am Sonntag in Neuengamme sind wir erschüttert, wie Deutschland sich aus der Verantwortung zieht und so tut, als seien wir ein Problem, dem es sich entledigen könne.


      Mi zahtevamo
  • da se zaustavi Abschiebung za sve rome
  • obstanak svim romima
  • pravi prevodilac koji prica romski
  • da mozemo da radimo i akosmo na Duldung
  • mogucnost u privremenim staconima da brze napuste
  • nase atesti nesmeju da se ignorisu

    Wir fordern:

    • Den Abschiebestopp für alle Roma
    • Ein Bleiberecht für alle Roma
    • Dolmetscher, die Romanes sprechen
    • Uneingeschränkte Arbeitserlaubnis für Geduldete
    • Die Möglichkeit die Erstaufnahmeeinrichtungen schneller zu verlassen
    • Die Atteste der (Fach-)Ärzt_innen dürfen nicht ignoriert werden

Donnerstag, 30. Juli 2015

Gedenkveranstaltung und bundesweite Aktionen gegen Abschiebungen am 2. und 5. August 2015

 
Sonntag, 2. August um 15 Uhr 
Gedenkveranstaltung in Neuengamme

Mittwoch, 5. August um 16 Uhr
Protest gegen Sammelabschiebungen beim Airport Plaza am Flughafen


Nach einer Streik-Woche vor der Ausländerbehörde und einer großen Demonstration im Zentrum wird am 2. August zunächst eine Führung über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme und im Anschluss ab 15 Uhr eine Gedenkveranstaltung dort stattfinden.
Am 5. August wird dann ab 16 Uhr eine Protestkundgebung gegen Sammelabschiebungen auf dem „Airport Plaza“ am Flughafen Hamburg stattfinden.

In Berlin findet am 2. August 2015 um 20 Uhr am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (Simsonweg) die Veranstaltung »Phagedo Dschi – Zerrissenes Herz« – Erinnern an die Ermordung der letzten Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau 1944 statt.

In Freiburg findet entweder am 3. oder am 10. August eine Aktion am Flughafen Karlsruhe Baden-Baden statt – je nachdem, wann die Behörden die nächste Sammelabschiebung anberaumen.

 
Verfolgung im Nationalsozialismus
Bis heute ist die Geschichte der Verfolgung und Vernichtung von Roma und Sinti nicht ausreichend erforscht und nicht genau bekannt. Dies ist kein Zufall, es ist Ausdruck von fortgesetzten Mechanismen der Ausgrenzung und Ablehnung.
Roma und Sinti wurden während der Zeit des Nationalsozialismus in die Konzentrationslager Belzec, Siedlce, Bergen-Belsen oder Auschwitz, aber auch nach Neuengamme bei Hamburg deportiert. Schätzungen zufolge waren hier ungefähr 500 Menschen als sogenannte „Zigeuner“ inhaftiert. Als Zwangsarbeiter_innen wurden die Menschen dort körperlich ausgebeutet und bei Mangelernährung fürchterlich gequält. Von den insgesamt 100.000 Häftlingen überlebte mehr als die Hälfte diese Tortur nicht.
Jährlich am 2. August gedenken international Roma-Organisationen und ihre Unterstützer_innen der Ermordung von nahezu dreitausend Roma im Jahr 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Im Familienlager von Auschwitz starben die meisten an Hunger oder Krankheiten, bis die Häftlinge in der Nacht des 2. August ermordet wurden. Nur etwa 4000-5000 überlebten die Konzentrationslager.
Sinti und Roma wurden als Opfer der „Vernichtung durch Arbeit“ u.a. in den großen Rüstungswerken (Siemens, Daimer-Benz, BMW, VW), wo sie täglich zwischen 12 und 15 Stunden unter schlimmsten Bedingungen arbeiten mussten oder auch als Zwangsarbeiter in ländlichen Regionen. Sinti und Roma wurden zu Menschenversuchen für verschiedene Arzneifirmen u.a. im Konzentrationslager in Natzweiler im Elsass und in Auschwitz missbraucht und gefoltert. Im südserbischen Nis wurde 1941 eines der ersten Konzentrationslager auf dem Balkan errichtet. 1942 erklärte die SS Serbien als „zigeunerfrei“. Die Geschichte der Sinti und Roma ist eine Geschichte von Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung.


Rassismus gegen Roma in Südosteuropa
Die Roma, die heute in Südosteuropa leben, sind die Nachkommen der Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords. Der Rassismus gegen Roma ist heute in Südosteuropa allgegenwärtig. Die Diskriminierung beginnt in den exjugoslawischen Staaten bereits im öffentlichen Raum. Die Mehrheit der Roma hat keine festen Unterkünfte, keine richtigen Wohnungen. Sie organisieren ihr Überleben in irregulären Siedlungen, Slums, oft ohne Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss. Die Lebenserwartung ist gegenüber dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechend niedrig, die Kindersterblichkeit um ein vielfaches höher. Ein regelmäßiges Einkommen ist fast nie vorhanden. In vielen Haushalten gibt es tagelang kaum etwas zu essen. Kernrechte, wie das Recht auf Wohnen, Nahrung, Arbeit, Bildung etc. sind nicht garantiert. Die Roma leiden unter Vorurteilen, systematischer Diskriminierung, Marginalisierung und Ausgrenzung. Viele unterliegen einem permanenten Vertreibungsdruck. Polizeiliche Räumungen von Roma-Siedlungen sind alltäglich. Das sind die Gründe warum zahlreiche Roma, seit der Visaliberalisierung im Dezember 2009, den Balkan verlassen haben.


Humanitäres Bleiberecht
Die systematische Diskriminierung, Marginalisierung und Ausgrenzung von Roma heute und die moralische Verpflichtung aus der gezielten Verfolgung und Ermordung der Roma im Nationalsozialismus, begründet ein dauerhaftes Bleiberecht aus „humanitären Gründen“ für Roma aus den Balkanstaaten in Deutschland. Weiterhin resultiert aus den Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des UNHCR wie auch die Qualifikationsrichtlinien ein Bleiberecht aus humanitären Gründen.



Sichere Herkunftsländer“ eine Politik der Stigmatisierung und Vertreibung
Nicht erst nachdem Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien im September mit den Stimmen der GRÜNEN zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ bestimmt wurden, wird Stimmung gegen die Roma gemacht. Dies obwohl die Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma in den Balkanstaaten eine derartige Dimension erreicht hat, dass sie existenz- und lebensgefährlich sein können.

Die Folgen dieser Politik münden in einer massiven Entrechtung von Roma:
Fluchtgründe werden nicht anerkannt, und auch nicht die besondere Schutzbedürftigkeit von Roma. Stattdessen werden die meisten Asylanträge von Roma aus dem Balkan als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt: im Schnellverfahren und ohne eine individuelle Prüfung gemachter Angaben. Die Haltung der Bundesregierung, die in einigen Bundesländern (wie Hamburg oder Bayern) vollständig geteilt wird, spricht allen aus den Balkanländern Flüchtenden pauschal politische Fluchtgründe ab. Die Medien sind voll mit Statements aus der Politik, nach denen einzig wirtschaftliche Interessen die Menschen dazu bewegen würden, ins Schlaraffenland Deutschland zu ziehen. Dabei flieht kein Mensch freiwillig und ohne Grund. Die wirtschaftlichen Gründe, die die Menschen zwingen sich auf den Weg zu machen sind oftmals Überlebensfragen und Folgen von ausgrenzenden wirtschaftlichen Strukturen. Was aktuell gefordert und fix beschlossen wird, seien es Arbeits- und Ausbildungsverbote, sei es die Streichung von Taschengeld fördert die Rechtlosigkeit und wirkt stigmatisierend.
»Flüchtlinge aus dem Balkan: die, von denen wir wollen, dass sie schnell wieder gehen« sollen zukünftig in Aufnahmezentren gesammelt werden, in denen die Asylverfahren im Schnelldurchlauf abgehakt werden und dann die Menschen direkt aus den Lagern wieder abzuschieben – dann mit Einreiseverbot in die EU.

In diesen Lagern werden viele Roma landen, denn sie haben oft keine andere Möglichkeit, als vor Mord, Vertreibung und Ausgrenzung zu fliehen und stellen einen Großteil derjenigen, die aus den Balkanländern kommen. Ihnen pauschal Asylmissbrauch oder Betrug vorzuwerfen knüpft an jahrhundertelang bestehende stereotype Bilder, die verändert und hinterfragt werden müssen. Wenn das nicht passiert, wenn die Klischees weiter aufbewahrt, gesammelt, gepflegt und archiviert werden dann bleiben wir geschichtsvergessen im Kreis von Ausgrenzung und Diskriminierung.
Entlang der europäischen Außengrenze ziehen sich Lager, in denen Menschen gesammelt werden und teilweise mit illegalen Push-back-Aktionen wieder aus der EU rausgeschoben werden. Dieser Zustand ist Ausdruck der humanitären Katastrophe, an der sich Europa ausgrenzend und unrühmlich beteiligt ist. Die geplanten Aufnahmezentren sind eine deutsche Steigerung der organisierten Unmenschlichkeit. Hier werden Menschen nach Herkunft sortiert ohne jede Chance erst ein-, dann ausgegrenzt. Mit dem Wissen um die spezifisch deutsche Verantwortung in Bezug auf Roma, mit dem Wissen um Anschläge auf Flüchtlingsheime, mit dem Wissen um rechtspopulistische Mobilisierungen in vielen Städten ist das entweder brandgefährliche Naivität oder, und das ist wahrscheinlicher, gewollte systematische Konstruktion einer Opfergruppe – und ihre Konzentration. Damit bleiben noch die Enkel und Urenkel in der Spirale von Ausgrenzung, Gewalt und Schmerz.

Die „falschen“ und die „richtigen“ Flüchtlinge
Nachdem die Welt mit zahlreichen Konflikten und dem Zusammenbruch des humanitären Hilfssystems konfrontiert ist, selbst eine UN nicht in der Lage ist alle Bedürftige zu versorgen, erreichen immer mehr Menschen den europäischen Kontinent. In Deutschland reagiert man, gegen all jene die durch das Raster der bundesdeutschen Asylanerkennung fallen („keine politische Verfolgung in den als sicher deklarierten Herkunftsstaaten“), mit dem alten Rezept der Abschreckung und Abschottung. Die Pläne von Bund und Ländern sehen vor, dass Geflüchtete aus den Westbalkanstaaten – faktisch größtenteils Roma – in gesonderten Erstaufnahmezentren untergebracht werden. Sie sollen gar nicht erst in Städte und Gemeinden verteilt, sondern direkt aus diesen Sammellagern wieder abgeschoben werden. Auch die Streichung von Sozialleistungen allein aufgrund ihrer Herkunft ist bereits im Gespräch. Sachleistungen sollen sie bekommen – das ist das häufig wegen seiner ausgrenzenden Wirkung kritisierte Gutscheinsystem.
Diese staatliche Vorverurteilung und Sonderbehandlung der Roma zeigt klar die Muster des uralten Hasses auf Sinti und Roma. Im Nationalsozialismus wurden Sinti und Roma in einer Kategorie mit sogenannten „Asozialen“ zusammengefasst. Die Eigenschaften, die dieser Kategorie unterstellt wurden, waren z.B. ihre wirtschaftliche Nutzlosigkeit, Faulheit, Ausnutzung der öffentlichen Wohlfahrt, abweichendes Verhalten und mangelnde Integration in die Mehrheitsgesellschaft. Diese Kriterien lieferten in einem Klima des nationalistischen Rassenwahns den Vorwand für die Verfolgung und Vernichtung der so stigmatisierten Bevölkerungsgruppen, der übrigens die Unterbringung in Sammellagern vorausging. Im heutigen Deutschland wird die nationalsozialistische Vernichtungspolitik ohne Frage von den allermeisten verurteilt, trotzdem wirken heute dieselben Kategorien der Abwertung. Dass diese von der Politik gezielt propagandiert oder instrumentalisiert werden, ist angesichts der rassistischen Mobilmachung gegen Flüchtlingsunterkünfte brandgefährlich.

Darum handeln wir gegen die Abschiebung von Roma:
  • weil wir soziale und politische Rechte für alle einfordern
  • weil viele Roma aus dem Balkan keinen Zugang zu diesen Rechten haben
  • weil das Kindeswohl bei Abschiebeentscheidungen im toten Winkel bleibt
  • weil wir das politische Konstrukt der „sicheren Herkunftsstaaten“ ablehnen.
  • weil viele solidarische gesellschaftliche Projekte, die mit Roma aufgebaut wurden zerstört werden.
  • weil wir damit direkt in das politische Geschehen eingreifen können
  • weil Abschiebungen kontraproduktiv sind und keine Perspektive bieten
  • weil Abschiebung die schlimmste Form staatlicher Diskriminierung ist
  • weil Abschiebungen ein Akt unterlassener Hilfsleistungen darstellt
  • weil Abschiebung fast immer nur arme und rechtlose Menschen trifft derer man sich entledigen will
  • weil die Politik anderen Interessen dient als den Geflüchteten
  • weil man Roma indirekt für die Kurzsichtigkeit der Politik verantwortlich machen will, welche wider besseres Wissen nicht rechtzeitig auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen reagiert hat und nun die selbstproduzierten Mängel vertuschen möchte
  • weil die Diskreditierung der Roma als „falsche“ Flüchtlinge die fatale Tradition der Ausgrenzung dieser europäischen Minderheit hier in Deutschland fortschreibt
  • weil die historische Verantwortung Deutschlands eine Abschiebung von Roma verbietet.



Unterzeichnende:
Bundes Roma Verband e.V.
Roma Antidiscrimination Network (RAN)
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
Aktion Bleiberecht Freiburg
Romano Jekipe ano Hamburg
Recht auf Stadt Hamburg - never mind the papers
alle bleiben!
Roma Center Göttingen e.V.
Recht auf Stadt Hamburg - never mind the papers